»Susan sagt …«

Lifestyle-Kolumne aus der Mitte des Lebens – von Susan Bäthge

So´n büschn dazwüschn

23. September 2020

Ist 50 wirklich die neue 30?//

Neulich trudelte wieder eine Einladung zum E-Casting in mein E-Mail-Postfach. Für einen süßen Werbespot, der in der Weihnachtszeit im Fernsehen ausgestrahlt wird. Nach Toffifee (aktueller Spot) nun also die Trommel rühren für eine beliebte Schoki, die jeder kennt (geheim geheim).

Setting: Drei Generationen unter dem Weihnachtsbaum, happy Family beim Geschenke auspacken. Sechs Rollen sollen besetzt werden: Zwei Kinder, im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren, ein Ehepaar zwischen 30 und 40 sowie Großmutter und Großvater zwischen 65 und 75 Jahren.

Hmmm, für welche Rolle haben sie mich wohl vorgesehen? Keine Antwort der Produktion. Als ich meine Freundin Jenny (Schauspielerin) frage, antwortet sie wie selbstverständlich: „Na für die Kinderrolle!“ Humor scheint manchmal die beste Wahl…

Warum hat die Werbung noch immer nicht verstanden, dass die Klassifizierung in drei Altersgruppen längst überholt und Generation 50 Plus riesig ist? Bedenken wir nur die Babyboomer – geboren zwischen 1946 und 1964!

Immer wieder erlebe ich, dass Frauen in den Fünfzigern gar nicht mehr stattfinden. Freundinnen berichten gar, dass sie sich nicht mehr gesehen fühlen von der Männerwelt. Meine Nachbarin erhielt zu ihrem 49. Geburtstag die Kündigung der Produktionsfirma, für die sie mehr als zehn Jahre als Hauptdarstellerin für eine TV-Serie vor der Kamera gestanden hatte. Ihr Mann ist bereits über fünfzig und dreht munter weiter. Sie hat sich nun der Malerei hingegeben. Schließlich fehlt eine ganz entscheidende, große, erfüllende Lebensaufgabe.

Meldet sich eine Frau Anfang fünfzig auf Partnerschaftsbörsen an und schreibt ihr wahres Alter, antworten die meisten Männer im Alterssegment 70 Plus. „Aber wir müssen umdenken, liebe Susan“, schreibt meine Vertraute Petra. „Es gibt ganz tolle 70-Jährige, auch wenn ab und zu das Gebiss wackelt.“ Äh. Ja. Dann doch lieber zwei 35-Jährige!

Ist nicht 50 die neue 30, 60 die neue 40? Alle reden davon, aber in der Gesellschaft scheint es noch nicht angekommen. Es steckt eine so enorme Kraft in uns Frauen im mittleren Lebensalter, ich kenne viele Energiebündel Mitte fünfzig, die weder graue Mäuse noch vertrocknete Rosinen sind. Die Lust haben am Leben und auf Sex. Coole, schöne, kluge Frauen mitten im Leben, die locker ihren Mann stehen, Familie und Job wunderbar unter einen Hut kriegen und oft so viel mehr leisten als Männer. Und doch werden sie ausgetauscht, scheinen 20 Jahre jüngere Frauen so viel unkomplizierter, easier, ergebener? Ein Anfang 60-Jähriger lieferte neulich auf einer Geburtstagsfeier das perfekte Klischee: Seine Freundin ist Ende 30.

Dabei sind wir nur so´n büschn dazwüschn.
Wie meine Konfektionsgröße: 38/40, meine Schuhgröße: 36/37, meine Körperlänge: ein Meter 63 komma 5.
Ina Müller bringt es in ihrem Song „Bisschen dazwischen“ auf den Punkt …

Auf halber Strecke
Zwischen Kuscheltuch
Und Rheumadecke
Zwischen ersten Küssen
Und andauernd Blutdruck messen müssen
Kein sexy Ding mehr
Aber Spaß daran wie noch nie
Ich glaub ich bin irgendwie
So’n büschen dazwischen
Wär‘ ich ’n Mann
wär‘ ich jetzt im besten Alter
Für Kevin zu alt
Zu jung für Walter

Darüber habe ich auch mit meinem Freund Micha in unserem Podcast ES MUSSE EINFACH RAUS debattiert, PODCAST LINK.

Ich finde, es ist Zeit für ein radikales Umdenken, eine Neuausrichtung, Veränderung. Denn wir sind viele …! Auch Männer mittleren Alters haben ihre Wehwehchen, ihre Macken, und so ganz taufrisch sind sie auch nicht mehr!

Autorin Barbara Hand Clow schrieb schon 1996 in ihrem Buch The Liquid Light of Sex – Kundalini Rising at Mid-Life-Crisis: „Wir formen uns mit 30, wir transformieren uns mit 40 und wir verwandeln uns mit 50.“

Und auch wenn wir viel jünger ausschauen (und uns auch so benehmen) – was bedeutet das denn? Wir können uns doch nicht mehr an der Generation unserer Mütter oder Großmütter messen! Das Frauenbild hat sich verändert.

PS. Wenn 50 nun doch die neue 30 ist, dann sahen sie mich vielleicht in der Rolle der Mutter?

Susan Bäthge - Kolumnistin, Moderatorin, Autorin

Hier schreibe ich über das, was mich bewegt, was mir wichtig ist, was mich berührt. All das, was mir im Alltag als Frau, Autorin und Moderatorin begegnet.