Was wir von Pippi lernen können//
Sie ist stark. Sie ist klug. Sie ist schlagfertig. Und sie lässt sich von niemandem etwas sagen. Eine Rebellin mit Herz. Dabei ist sie niemals respektlos oder überheblich. Ein Vorbild vieler Generationen von Frauen, eine der berühmtesten Kinderbuchheldinnen der Welt. Pippi Langstrumpf ist auch meine Heldin!
Vor 75 Jahren erschien das erste Buch von Astrid Lindgren und noch heute liebe ich die alten Klassiker mit Inger Nilsson. Weil Pippi immer berührt – sie hat das berühmte innere Kind ganz tief in sich integriert. Abenteuerlustig und grenzenlos neugierig. Pippi genießt die Hingabe im Augenblick, sie ist kreativ, eine wahre Lebenskünstlerin wie eigentlich alle Kinder.
Irgendwie muss ich an den frechen Rotschopf denken, als Markus Lanz mit Alice Schwarzer dieser Tage über das heutige Frauenbild talkt. Pippi ist doch ein wahrhaftiges Symbol für Emanzipation – sie macht sich ihre Welt stets wie sie ihr gefällt …
Ein Supermädchen, das ausgezeichnet mit sich selbst zurechtkommt, sich selbst genug ist, unabhängig, frei, grundlos glücklich. Wie sie andere finden oder was andere schön finden, ist ihr schnurzpiepegal. Pippi muss es gefallen, ihr Lebenssinn heißt GENIESSEN. In jedem Moment! Sie folgt dem Lustprinzip, stets darauf bedacht, sicherlich unbewusst, ihr kindliches ICH zu retten statt es zu verbergen, zu verbuddeln, zu vermeiden. Wie die meisten Erwachsenen!
Wie sehr ich mich in ihr wiederfinde, während eben jene Erwachsene ein solch kindliches Verhalten verurteilen. Weil sie sich selbst nicht trauen, ausgelassen zu genießen, zu lachen, zu tanzen, zu spinnen? Na und? Denkt an Pippi!
Ich glaube, was uns heutzutage fehlt, ist diese kindliche Leichtigkeit, dieses mühelose durch den Tag träumen und tänzeln, weil hinter irgendeiner Ecke immer irgendeine Verpflichtung oder Verantwortung lauert.
Seeräuberin wie Pippi wollte ich nie werden, aber über meine Goldtaler wollte ich unbedingt Bescheid wissen. Vor 25 Jahren kam mich mein bester Freund auf Mallorca besuchen und verwandelte 100 qm Wohnfläche in eine gepflasterte Papierlandschaft. „Susi, ich mach das jetzt ein einziges Mal für dich, in Zukunft kümmerst du dich selbst um deine Bilanzen!“ Ein heilloses Chaos – aber die Steuererklärung musste gemacht werden. Diese klare Ansage klingt in meinen Ohren als sei es gestern gewesen. Au weia! Dieses Umherfliegen wichtiger Dokumente, sogar unter dem Bett und hinter dem Schrank, musste ein Ende haben!
Fortan kümmerte ich mich. Die perfekte Eigentherapie, denn seitdem weiß ich genau um Einnahmen und Ausgaben. Und das ist beruhigend. Nie und nimmer hätte ich mir träumen lassen, jemals Spaß daran zu finden, eine Einkommensteuererklärung selbst zu machen. Zahlen sind zu Freunden geworden. Und wenn ich nicht weiterweiß, rufe ich beim Finanzamt an. Erstmals vor etwa 15 Jahren – dem Nervenzusammenbruch nahe. „So schnell schießen die Preußen nicht“ beruhigte mich meine Sachbearbeiterin.
Ich wollte unabhängig sein. Wie Pippi.
Neulich interviewte ich für eine ZUHAUSE WOHNEN Kolumne die herzerfrischende Sonya Kraus, die – befragt nach den handwerklichen Geschicken ihres Liebsten, diesen mit den Worten zitierte: „Der liebe Gott schenkte mir zwei linke Hände – und Sonya!“ Die sexy Blondine streift mit Wonne den Blaumann über, greift zu Bohrmaschine und Hammer oder ihrer Lieblingsgerätschaft, der Mauerwerksfräse. Selbst ist die Frau!
So wie Pippi scheinbar mühelos ihre Villa Kunterbunt aufs Dach stellt, dank Popeye-Kräften mit angriffslustigen Piraten jongliert oder das Segelschiff zurück in den Wind schiebt.
Meine Mutter warf mir jahrelang vor, zwei linke Hände zu haben. Ihr und mir wollte ich das Gegenteil beweisen. Glatte Wände statt Raufaser! Also in einer Nacht- und Nebelaktion Tapeten gelöst, gespachtelt, geglättet, gestrichen. „SuperSu!“ lobten Freunde. Ja, manchmal wachsen wir Frauen über uns hinaus. Wenn wir wollen, können wir (fast) alles! Darüber haben Micha und ich auch in unserem Podcast ES MUSSE EINFACH RAUS gesprochen: Wohnung wird zum Landhaus.
Ok, ich gebe zu, gestern rief ich meinen lieben Nachbarn Wolfgang an. „Du Wolfi, ich brauche für ein Bild zwei Löcher in der Küche. Könntest du bitte bohren kommen? Ich weiß nicht, ob Stromleitungen unter dem Putz entlanglaufen und wie Fliesen angebohrt werden ohne zu zerscheppern!“
Er kam gerne, bohrte, sichtlich beeindruckt von meinem riesigen gut gefüllten Werkzeugkasten (25 Jahre alt). Oder hätte ich doch lieber meiner Freundin Pippi folgen sollen?
„Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“
Pippi Langstrumpf
Ach, manchmal darf Frau auch mal nur Frau sein. Dann kann der Mann auch wieder mehr Mann sein…
PS: Das Bild hängt schief, weil ich falsch gemessen hatte. Was soll´s…
die Perfektion liegt in der Imperfektion, würde Pippi sicherlich sagen!