»Susan sagt …«

Lifestyle-Kolumne aus der Mitte des Lebens – von Susan Bäthge

Das große Glück Freundschaft

22. Oktober 2020

Zwei Freunde müssen sich im Herzen ähneln,
in allem anderen können sie grundverschieden sein
Sully Prudhomme, erster Literatur-Nobelpreisträger //

Das plakative Foto, das dieses Zitat umrahmt, hängt viele Jahre in meiner Küche. Es zeigt ein kleines Mädchen vor einem riesigen Elefanten sitzend. Und es drückt aus, was mich mit vielen meiner Freunde verbindet.

Es ist das bedingungslose Annehmen der Andersartigkeit. Die Akzeptanz, dass jemand anders denkt und fühlt und dennoch ein echter Freund sein kann. Der nicht verrät und nicht betrügt, der Anvertrautes nicht weiterträgt und in Zeiten großer Not zu dir steht.

In Wenn man Freunde hat, der Coverversion des Welthits That´s what friends are for singt Caterina Valente 1987:

Vieles was nicht geht,
Das geht dann doch, ganz glatt,
Wenn man Freunde hat.
Auch wenn du in Not bist,
Du wirst seh’n es wendet sich das Blatt,
Wenn man Freunde hat…

Natürlich hat es eine andere Qualität, über viele Jahrzehnte befreundet zu sein. Weil wir dann genau wissen, wie der andere tickt, auch, dass er mal austicken kann, ohne gleich mit unserem Rückzug rechnen zu müssen. Ich mag dich, gerade weil ich dich kenne!

Nach einem Jahr Kontaktlosigkeit genau dort wieder anzuknüpfen, wo wir unser Gespräch vor zwölf Monaten haben ausklingen lassen… das ist Freundschaft! Manche Lebensumstände lassen manchmal einfach keinen Raum für Nähe. Das Zauberwort heißt Vertrauen und gemeinsam erlebte Zeit, die verbindet. Das lässt hinweg schauen über schlechte Launen, das eine oder andere laute Wort, das auch mal verletzen kann. Was selten mit dem Gegenüber zu tun hat, vielmehr eine Akkumulation eigener Schwächen oder aktueller Befindlichkeiten ist.

Niemand ist perfekt, jeder kann mal gereizt sein und sich auch im Ton vergreifen. Und wenn auf eine Entschuldigung keine Versöhnung folgt, dann müssen wir das annehmen. Manchmal entwickeln wir uns auch unterschiedlich, gehen andere Wege und spüren, dass es gar nichts Gemeinsames mehr gibt. Eine schmerzliche Erfahrung, die ich schon oft machen musste.

Für mich bedeutet wahrhaftige Freundschaft, loszulassen, wenn der andere sich zurückzieht. Und dennoch zu signalisieren, dass er mir viel bedeutet. Was zählt ist doch die aufrichtige loyale Herzensbindung und das Wissen, mich nicht erklären zu müssen. Und selbst nachts um drei anrufen zu können. Ohne verurteilt oder angemault zu werden.

Verurteilung, Beurteilung, Lästern haben in einer echten Herzverbindung nichts zu suchen. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, dass eine „Freundin“, die vor mir über andere „Freundinnen“ schlecht redet, dasselbe über mich tun wird.

Von solchen so genannten „Freundinnen“ habe ich mich vor vielen Jahren getrennt. Manche Wegbegleiter gehen, neue kommen hinzu. Andere bleiben ein Leben lang. „Wenn du einen echten Freund hast, kannst du dich glücklich schätzen“ höre ich meinen Vater flüstern.

Wer mit offenem Herzen in die Welt hinausgeht, hat in jedem Alter die Möglichkeit, echte Freundschaften zu schließen. Ein tiefer Blick in die Augen des Gegenübers trifft direkt ins Herz? Das philosophische Gespräch über Gott und die Welt berührt? Eine Gemeinsamkeit beflügelt? Gegensätzlichkeit erweitert den eigenen Horizont?

Was ist mir wirklich wichtig? Dieselbe Moral und Wertvorstellung! Ehrlichkeit! Offenheit! Zuhören! Verzeihen können! Ein ähnlicher Spirit! Was schafft echte Verbindungen? Mit einem Freund teile ich denselben Lifestyle, mit einem anderen den Intellekt oder denselben Humor. Mit einem dritten eine verwandte Vision. Oder die gleiche Energie!

Meine Freunde sind total verschieden, mit jedem verbindet mich etwas anderes. Früher war es die eine Vertraute, mit der ich alles geteilt habe. Heute sind es mehrere. Wir sind total verschieden und trotzdem befreundet – das war für Micha und mich der Anlass für unseren gemeinsamen Podcast ES MUSS EINFACH RAUS!

Und so unterschiedlich wir auch sein mögen – jeder Freund ist ein Geschenk, ein großes Glück, nicht allein zu sein auf dieser Welt. Freude und Trauer zu teilen, Anteilnahme zu fühlen, sich gegenseitig zu motivieren – oder einfach nur da zu sein!

Und manchmal merken wir erst später, dass uns so viel mehr verbindet…

Susan Bäthge - Kolumnistin, Moderatorin, Autorin

Hier schreibe ich über das, was mich bewegt, was mir wichtig ist, was mich berührt. All das, was mir im Alltag als Frau, Autorin und Moderatorin begegnet.